DIE ALEGRIA AUSSTELLUNG
08. Juli bis 09. Sptember 2022
VR-Bank, Theatherplatz 10/11, 96450 Coburg

Alle Bilder sind auf Anfrage käuflich zu erwerben.

DIE GESCHICHTE DAHINTER von ERNESTO:

Bis heute bin ich von der Fotografie fasziniert als ein Medium, mit dem ich reelle Dinge, echte Menschen und wahre Begebenheiten objektiv darstellen und gleichzeitig subjektiv interpretieren kann.

Ich habe selbst, dass man mit der Fotografie nicht nur etwas abbilden, sondern darüber hinaus kleine und große Geschichten erzählen kann.

Dieses „Geschichten erzählen in Bildern“ liebe ich am Fotografieren und das zumeist nächtliche Bearbeiten der Bilder; d.h. ich betrachte mich nicht als Dokumentar, sondern als zutiefst subjektiver Interpret von Geschehnissen, die ich mit der Kamera zu erfassen versuche.

Diese Herangehensweise trifft ziemlich explosiv auf eine Sehnsucht, die ich auch schon lange Zeit in mir trage, und die im brasilianischen Karneval gipfelt. Brasiliens Musik, Landschaft, Sprache und Kultur, die vor allem ein sinnlicher Körperkult ist, übten schon von je her eine große Faszination auf mich aus.

Und tatsächlich erhielt ich von brasilianischen Ärztekollegen, mit denen ich bereits Jahre zuvor ein deutsch-brasilianisches Fellowship-Programm aufgebaut hatte, 2014 die Einladung zum sagenumwobenen Karneval in Rio de Janeiro – in diese unglaublich schöne, sich zwischen Meer, Stränden und steilen, grünbewachsenen Hügeln ausbreitende Stadt, die liebevoll von den Cariocas (Einwohner von Rio) als „cidade maravilhosa („wunderschöne Stadt“) bezeichnet wird.

In dieser Metropole, wo die Kontraste zwischen arm und reich besonders stark hervortreten, hat sich auf der anderen Seite die Freude („alegria“) auf und die Lust am Karneval („carnaval“) besonders kultiviert und führt alle Menschen, ob arm oder reich, hässlich oder schön, zum Karneval wieder zusammen.

An den beiden wichtigsten Karnevalstagen (Sonntag und Rosenmontag wie bei uns) liefern sich die 14 großen Sambaschulen (7 pro Abend/Nacht mit jeweils 4 -5000 aktiven Teilnehmern) im berühmten, von Oskar Niemeyer erbauten Sambodrom, mit ihren Umzügen über eine Länge von 800 Metern, in 80 Minuten pro Parade, einen Wettkampf ungeheurer Dimension. Und das in einer Intensität, als gäbe es kein Morgen mehr.

In zwei Nächten überließ ich mich der geballten Power dieses voll organisierten und keinesfalls chaotischen Treibens und bestaunte einfach nur die maßlose Fantasie der Kostüme und die unendlich anmutende Energie der Tänzer und Tänzerinnen, die 80 Minuten auf maximalem Niveau durchhalten müssen, da sie am Ende des Sambodroms von den Schiedsrichtern für Ihre Gesamt- und Einzelleistung beurteilt werden nach: Rhythmische Gesamtleistung, künstlerische Umsetzung des jeweiligen Karnevalsthemas, Geschlossenheit des Auftritts, Originalität der Kostüme und der riesigen Wagen. Der Gewinner erhielt damals 100.000 Euro (viel Geld für eine Favela-Sambagemeinschaft).

Die Schönheit und Kraft-Ausdauer der Tänzer und Tänzerinnen mit gleichzeitiger Ausstrahlung dieser überbordenden Freude auf den Gesichtern und dem hinreißenden Charme, der durch ihr Lächeln und die eleganten Sambaschwünge ihrer Körper zustande kommt, sucht ihresgleichen.

Der Körperkult erlaubt neben dem harten Muskel-und Konditionstraining auch die körperliche „Verschönerung“ mit Annäherung an das Ideal futuristischer Heldengestalten („Superman“ und „Superwoman“) durch Implantation von Silikonkissen nicht nur im Brustbereich, sondern auch am Bauch (Sixpack) oder am Po und Oberschenkel.

Das soll die ungeheuer kraftvolle Ästhetik der Tänzerinnen nicht schmälern, sie sind mit ihrem Charme und ihren oft nur minimal mit perlenbesetzten Mikrobikinis bekleideten Körpern ein Hingucker schlechthin.

Die besten von ihnen werden die Königinnen der großen Schlagzeug-Gruppe („bateria“) und tanzen ihnen mit ihren wohlgeformten nimmermüden Körpern und der reinen Lebensfreude im Gesicht, in die sich am Ende der Parade doch etwas Erschöpfung mischt, voran („reina de bateria“).

Diese Königinnen und Prinzessinnen der Nacht werden als solche – völlig zu Recht – von Männern wie Frauen verehrt (nichts für westliche Frauenbeauftragte!). Und die halten einem die Augen auf, wenn es dann auf 5 Uhr zu geht…

Das grandiose Schauspiel findet statt unter immerwährender tänzelnd-stampfender Sambamusik; das ist nicht jedermanns Sache, aber ich mag sie, diese wilde rhythmische Musik, ohne die nichts ginge, liefe oder tanzte.

Das Gesamt-Ende ist ca. um 6 Uhr, wenn die Sonne aufgeht. Dann sind 7 Sambaschulen durch und man freut sich, zusammen mit 1000en müden, aber begeisterten Menschen – der aufgehenden Sonne entgegen gehend – schon auf die nächste Karnevalsnacht im Sambodrom von Rio de Janeiro.

Es ist nicht übertrieben, diese Party als die größte, bunteste, berauschendste, fantasievollste, lauteste und beglückendste Karnevalsparty der Welt zu betrachten.

Das alles dominierende Gefühl scheint dabei die ausgelassene Lebensfreude, die ALEGRIA zu sein.

Diesen Ausdruck im Gesicht und am ganzen Körper und die dazugehörige Lebenseinstellung, sich trotz aller Schwierigkeiten, Unpässlichkeiten, Ungerechtigkeiten und Hässlichkeit, die das Leben mit sich bringt, nicht unterkriegen zu lassen und dem Leben an sich mit Freude zu begegnen und es insgesamt mit Freude zu leben, das ist etwas, was ich in meinen Bildern zeigen möchte.

Die Kehrseite der Medaille, die Traurigkeit, für die die Brasilianer das schöne Wort „Tristeza“ haben, ist naturgemäß immer sehr nahe.

Und das drücken die Brasilianer wunderbar in ihrer Bossa Nova-Musik aus. Sie können beides großartig: „Alegria“ und „Tristeza“, und haben es zur Kultur erhoben; davon können wir lernen.

Ich wünsche Ihnen viel Vergnügen und Genuss bei der Betrachtung dieser Bilder, die Ihnen die ausgelassene Freude als Lebenseinstellung zeigen mögen.

Es liegt ein großer Zauber über dem Sambodrom von Rio, wenn diese unglaublichen Paraden hindurch ziehen: aus der Vogelperspektive wirkt das wahrscheinlich wie ein fantastisch heller Glanzstreifen inmitten einer eher dunklen, armen, fast trostlosen Umgebung.

Für diese Menschen ist der Karneval der größte Höhepunkt in ihrem wahrlich nicht glanzvollen Leben.

Aber das Glück liegt im Moment und ist nicht fassbar oder anhaltbar.

Aber es kommt immer wieder – darauf freuen sich die Menschen.

– Ernesto Vester

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Kunstausstellung: "ALEGRIA" Karneval in Rio